Schömern / Všemìry
In den bisherigen Kapiteln haben wir die Pfarrei Ottau, die Pfarrkirche St. Johannes Enthauptung, den Friedhof um die Kirche und im letzten Teil die Ortschaft Ottau behandelt. Nun widmen wir uns den weiteren Ortschaften und Weilern der Pfarrei und gehen als erstes knapp drei Kilometer nördlich zur Ortschaft Schömern.
Schömern (gelegentlich auch Schömmern (mit zwei "m"), mundartlich "Scheamin") liegt drei Kilometer nördlich von Ottau rechts der Moldau auf 605 Meter Meereshöhe am alten Handelsweg von Linz über Hohenfurth (Vyšší Brod) und Rosenberg (Rožmberk) nach Krummau (Český Krumlov) und wurde erstmalig 1557 als Ssemaur niemeczky erwähnt. 1572 wird ein Görg von Schiemern genannt. Die Ortsbezeichnung war in den folgenden Jahrhunderten erstaunlicherweise stabil. Nach Schemern in Urkunden von 1653, 1721, 1789 folgte 1841 die Bezeichnung Schömern. Mundartlich wurde der Ort Scheamin genannt. Seit der ersten tschechischen Republik 1918 heißt Schömern offiziell Všeměry.
Die Karte von 1826 zeigt links den Komplex der Ziehensackmühle an der Moldau (rote Linie - ist gleichzeitig die Grenze zum Gerichtsbezirk Hoschlowitz) und in der Mitte das obere Dorf. Deutlich sind die großen Drei- oder Vierseit-Bauernhöfe #1, #3 und #6 erkennbar.
In Schömern lebten gegen 1930 ca. 80 Einwohner in 12 Häusern. Der größte Teil des landwirtschaftlich geprägten Dorfes lag oberhalb des Moldautales am alten Handelsweg, während sich ein kleinerer Teil ("Ziehensackmühle" und "Neibaur") ungefähr einen Kilometer entfernt direkt am Moldauufer befand. Schömern gehörte politisch zur Gemeinde Lobiesching. Eingepfarrt war es nach Ottau, wo sich auch die Schule befand.
Die Dorfmitte von Schömern mit dem Dorfkreuz links unter den Lindenbäumen und dem Haus #5 Krenauer ("Schneider") in der Mitte und #4 Daschil ganz rechts. Das Foto entstand vermutlich im Winter 1936. Der Zaun rechts vorne gehörte zum Balaun-Anwesen #10.
Der Ort hatte vor der Vertreibung im Jahre 1946 vierzehn Häuser und es lebten dort 69 Personen. Bis auf die Familie Kral in Hausnummer 3, die während der 1. Tschechoslowakischen Republik zwischen den Weltkriegen nach Schömern kam, waren alle Bewohner Deutsche.
Hausnr. | Familienname | Hausname | Art des Anwesens | Personen |
1 | Neubauer | Schwarzbauer | Landwirt | 6 |
2 | Neubauer | Schwarzbauer | Austragstrag von #1 | 1 |
3 | Kral | Olt Hoger | Landwirt | 5 |
4 | Daschil | Neuhäusl | Kleinlandwirt und Arbeiter | 7 |
5 | Krenauer | Schneider | Kleinlandwirt und Arbeiter | 7 |
6 | Weber | Groß Kamenik | Bauer | 7 |
7 | Gubo | Schmied-Doml | Arbeiter | 5 |
8 | Zwiefelhofer | Neibaur | Landwirt | 6 |
9 | Tomschi | Schmied | Kleinlandwirt und Schmied | 5 |
10 | Gubo | Balaun | Kleinlandwirt und Arbeiter | 4 |
11 | Hauber | Ziehensackmühle | Mühle und Bäckerei | 7 |
12 | Krenauer | Gidl | Kleinlandwirt | 5 |
13 | Ullmann | Klein-Kamenik | Kleinlandwirt und Arbeiter | 4 |
14 | Hauber | Ziehensackmühle | Laden der Bäckerei | - |
In der Ziehensackmühle ließen viele Familien aus der Umgebung ihr Getreide mahlen. Neben dem Mahlbetrieb wurde dort aber auch Brot gebacken und verkauft. Zum Einkaufen von Lebensmitteln und zum Gasthausbesuch gingen die Scheaminer nach Ottau oder Ebenau. Ebenso war Ottau der Kirch- und Schulort. Von den Familien, deren Landwirtschaft nicht groß genug für den Lebensunterhalt war, gingen die Männer oft in die "Pötschmühle" (Papierfabrik) nach Wettern (Vetřni) zum Arbeiten. In Schömern selbst gab es an Handwerksbetrieben einen Schneider (Krenauer -Hausnummer 5), der nebenbei noch in die Pötschmühle arbeiten ging und eine kleine Landwirtschaft betrieb, sowie einen Schmied (Tomschi - Hausnummer 9).
Die 1946 vertriebenen deutschsprachigen Ortsbewohner wurden in ganz Bayern verstreut. Die einzige tschechische Familie Kral verließ danach auch den Ort. Anfang der 50er Jahre wurde das "alte Schömern" wie viele andere Böhmerwalddörfer dem Erdboden gleichgemacht und es wuchsen Sträucher und Brennnesseln über den verbliebenen Resten im oberen und unteren Ortsbereich. Orientieren konnte man sich bis in 1980er Jahre nur noch an den Resten des steinernen Dorfkreuzes mit den vier umgebenden Linden, dem Dorfweiher und den alten Wegen.
Heute ist Schömern eine Ferienhaus- und Wochenend-Siedlung geworden. In dem ehemaligen oberen Ortsgebiet stehen wieder circa zehn Häuser, die von Tschechen errichtet wurden. Der Ort gehört heute zu Priethal (Přídolí). Neben der Stelle, wo früher die "Ziehensackmühle" stand, wurde Anfang der 1990er Jahre eine neue Brücke errichtet, um leichter zur Restmülldeponie der Wetterner Papierfabrik im Lobieschinger Tal zu gelangen. Vor dem ehemaligen "Schmied-Haus" steht auch noch ein steinernes Marterl. Anstelle des ursprünglichen Steinkreuzes in der Dorfmitte steht dort heute ein Holzkreuz (siehe Foto von 2010) und verweist auf den einstigen Ortsmittelpunkt.
In unseren Unterlagen sind heute (23.11.2020) noch die ehemaligen Scheaminer Elfriede und Rudolf Ullmann (Kleingamaning - Schömern 13), Gerda Hutter, geb. Gubo (Schmied-Doml - Schömern 7) und Stefani Jungbauer, geb. Daschil (Neuhäusl - Schömern 4) aus der Erlebnisgeneration geführt, die die Vertreibung vor fast 75 Jahren miterleben mussten.
Die Daten sind entnommen dem Buch von Rupert Essl "Der Kreis Krummau an der Moldau", Unterlagen der Pfarrgemeinschaft Ottau und des Förderkreises St. Johannes Enthauptung und den Aufzeichnungen von Rudolf Ullmann ("Kloagamaning") und Josef Krenauer ("Schneider"). Außerdem flossen Informationen ein von Maria Kunkel, einer gebürtigen Hoschlowitzerin, deren Mutter aus dem Scheaminer Schneiderhaus stammt und von Christoph Anderl, dem Förderkreisvorsitzenden.
Edmund Koch im Dezember 2020
--- © Förderkreis Kirche St. Johannes Enthauptung e.V. 2021 ---